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Nein, an so etwas dachte ich als Kind nicht. – Ich wollte Pilot werden, mich in einem Cockpit geborgen fühlend dem blauen Himmel entgegen fliegen und die Probleme der Erde unter mir lassen. Das war mein Ziel!
Als Kind weiss man bei weitem nicht, warum man dies und jenes tut. Im mittleren Alter beginnt man zu hinterfragen und im höheren Alter beginnt man zu verstehen.
Kinder sind meist nicht dumm und verdienen verständnisvoller behandelt zu werden.
Wer kennt den Ausdruck nicht: „Das ist nichts für kleine Kinder, wenn Du mal gross bist, dann darfst du .....“ usw.
Kinder kennen das Wort „ignoriert“ nicht, aber sie nehmen wahr, wenn sie ignoriert werden.
Es verwundert nicht, dass sich ein solches Kind unter den Tisch verkriecht, wenn es bei Besuch von Verwandten oder Bekannten zum Tanzen aufgefordert wird.
Bei der Berufsberatung entschloss man sich, mich zum Elektromechaniker ausbilden zu lassen.. Für diese Ausbildung bin ich heute noch dankbar.
Es schien aber der Wille der Götter zu sein, dass ich trotz ärmlichen Verhältnissen seit meinem zehnten Altersjahr Musikunterricht geniessen konnte. Nebst meinen Beschäftigungen aus technischem Interesse quälte ich mich freiwillig und leidenschaftlich mit Notenlesen und Geige spielen ab. Wie haben die mit einem Punkt versehenen Noten mir die Sache noch schrecklich komplizierter und schwieriger gemacht.
Später zeigte sich, dass für mich mangels Allgemeinbildung, mangels Sehvermögen und mangels Geld die Laufbahn als Pilot nicht in Frage kommen konnte. So versandeten meine Träume und meine Wünsche wuchsen nicht mir in den Himmel, sondern blieben eher auf dem Erdenboden.
Ich absolvierte eine Weiterbildung zum Maschinenzeichner. – Während meiner Tätigkeit als Zeichner gab es zu meiner Rechten eine junge Frau italienischer Abstammung. Sie hiess Paula und wollte Tänzerin werden, doch ihre Neigung dick und dicker zu werden brachten ihre Träume früh zum Ende.
Sie erzählte mir vom Ballett-Tanz und drängte mich danach, ihre Ballettschule zu besuchen.
Paula sagte: „ Peter, Du musst tanzen, Du hast eine gute Figur.“ Ich erwiderte: „ Paula, Du spinnst, ich mache Judo!“ – Sie gab nicht nach bis ich zur Ballettstunde erschien und ich begann, meine Beine nach vorwärts, seitwärts und rückwärts zu schieben, mit einem Plié zu ergänzen und mit einem Rise abzuschliessen. – Ja, so blöd fand ich die Sache schliesslich doch nicht.
In Basel, mahnten mich meine Kollegen, ich solle meine Energie sinnvoller vertun, als mich dem Ballett-Tanz, solch einem Getue, sowieso nur für junge Leute, hinzugeben. Ich setzte mich mit dem damaligen Ballettmeister am Opernhaus in Zürich Nestor Mondino in Verbindung dieser nahm sich die Zeit, meine Situation zu überprüfen.
Das Resultat lautete: „Sie sind hochbegabt, haben aber überhaupt nichts gelernt.“
„Ja, was tue ich nun?“ frage ich ihn.
„Kommen Sie nach Zürich und nehmen Sie Ballett-Unterricht in den Open-Classes und wir wollen weitersehen.“
Ich gab meinen Beruf auf, und verliess meine wunderschöne, gediegene Wohnung in Basel und bezog ein bescheidenes Zimmerchen in einem Dachstock am Zeltweg in Zürich..
Fr. 90.-- kostete mich die Miete. Zürich bot mir die Gelegenheit, halbtags zu arbeiten um Unterhalt und Ausbildung zu bezahlen. Jene Zeit von sieben Jahren mit ihrer einzigartigen, unvergesslichen Ambiance lässt sich in Wort und Bild kaum beschreiben.
Mit welch fürchterlicher, unbequemer Haltung stand ich schliesslich an der Barre in der Klasse der grossen, aber bescheidenen Dame Natasha Kelepowska.
Keine einfache Sache, denn Natashas Prinzip war: „Keine Mann in meiner Klasse, eine Mann ist schon zuviel!“ Mit viel Geduld und beidseitiger Überwindung lebte ich mich nach und nach in die Kunst des klassischen Balletts ein. Bald gewöhnte sich Natasha an den einzigen Mann in ihrer Klasse und es entstand sogar eine eigenartige Beziehung.
Dreissig Jahre lang trainierte ich in der Klasse von Natasha Kelepowska aber kaum mehr als drei hundert Worte brauchten wir während dieser Zeit zur Konversation, zum Beispiel:
„Good morning, - -
How are you?
Oh, today it is very cold, ….oder …. Good by, Darling.”
Alles andere wickelte sich in Gefühl, in Bewegung mit Freude oder Traurigkeit eingekleidet in wunderbarer Musik als Ausdruck im klassischen Tanz ab.
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Nur ganz wenige Persönlichkeiten, wie Natasha Kelepowska, verkörperten die Tradition der Zarenzeit. Den tänzerischen Aspekt lernte sie während ihrer Schulzeit im Westen kennen.
Kurz nach der Revolution im Jahre 1920 wurde Natasha in Jalta auf der Krim in Russland geboren. Die Familie musste sich beeilen aus Russland rauszukommen, deshalb fuhr sie mit ihrer Mutter über Konstantinopel nach Jugoslawien und schliesslich nach Paris, wohin sie emigrierten.
Wo Russen waren, da gab es auch exzellente Ballettschulen. Mit zehn begann Natasha zu tanzen aber nicht gerade aus Leidenschaft. In Paris war es à la mode, dass die Tochter des Hauses Ballett tanzte. Man machte sich damals Sorgen, dass die Deutschen Paris bombar-dieren würden. 1938 unterschrieb ihre Familie für sie den Vertrag für den Beitritt zu den Ballets Russes de Monte Carlo. Ihre Tour ging quer durch die USA.
Durch ihre Eltern war Natasha direkt mit dem Gesellschaftsleben des imperialen Russland verbunden. Ihr Vater war Offizier bei der berittenen kaiserlichen Garde und stammte aus dem landbesitzenden Adel der Ukraine. Ihre Mutter gehörte zu dem Kreis des St. Peterburger Hochadels.
1946 starb ihr Vater und die Mutter zog zu Natasha nach New York.
1968 wurde Natasha durch den damaligen Direktor des Zürcher Opernhauses Nicholas Beriozoff als Assistentin und Ballettmeisterin der Opernschule und Company nach Zürich berufen.
Grossartige Pianisten, begnadete Künstler begleiteten stets unsere Ballettstunden. Wie arm wäre ich, wenn ich diese Gefühls- und Stimmungsbilder nicht hätte erleben dürfen!
1979 setzte ich meine tänzerische Ausbildung an der Royal Academy in London fort. Bewusst bezog ich nach der Rückkehr im Jahre 1982 eine nette Wohnung in Basel und baute mir für den Unterhalt und für die Weiterbildung eine neue Existenz auf. Bis zu ihrem Tod besuchte ich die Lektionen von Natasha und reiste dafür zwei mal wöchentlich nach Zürich.
Ich muss nicht tanzen um des Geldes Willen, nein ich kann es mir leisten zu tanzen wann und wie ich es will. Dies ist die Voraussetzung um den Musen Terpsichore und Polyhymnia zu gefallen.
Musik als Weltsprache braucht nicht übersetzt zu werden. Sie spricht von Seele zu Seele.